Frage: In der Öffentlichkeit wurdest du ja vor allem durch deine jahrelange Sachverständigentätigkeit auf dem Gebiet der Rechts- und Forensischen Psychologie bekannt. Du bist aber auch Professor an verschiedenen Universitäten. Kannst du uns vielleicht ein bisschen davon erzählen.
Antwort: Ja, ich habe mich bereits im Jahre 2005 bzw. 2006 an der Universität auf dem Gebiet der Psychologie, speziell aber auf dem Gebiet der Klinischen Psychologie, habilitiert. Im Prinzip betraf meine Habilitation den damals sehr interessanten Bereich der Suchtforschung. Ich habe dort meine bisherigen Publikationen in einer Gesamtschrift zusammengetragen. Wenn man so will ist es also keine Einzelschrift bzw. Monographie, sondern eine kumulative Schrift gewesen. Daraufhin bin ich später als Professor für Psychologie nach Italien berufen worden. Ich habe dann dort drei Jahre lang dort gearbeitet. Schon vorher aber hatte ich, im Rahmen meiner verschiedenen Forschungs- und Unterrichtstätigkeiten, Kontakte zu anderen Universitäten, sodass sich im Laufe der Jahre auch Professor für Psychologie in anderen Ländern geworden bin und auch weiterhin an diesen Universitäten unterrichte.
Frage: Im Rahmen deiner Sachverständigentätigkeit hast du da auch in anderen Ländern gearbeitet.
Antwort: Als Sachverständiger arbeite ich auch immer wieder in Italien an den Gerichten. Die Sache ist deshalb ins Rollen zu kommen, da ich ja zweisprachig bin. Es ist deshalb für mich auch aktuell besonders interessant, da die italienische Justiz einen vollkommen anderen Zugang zur Sachverständigentätigkeit hat. Im Gegensatz zu Österreich gibt es dort die Möglichkeit, dass jede Partei einen sogenannten Parteisachverständigen hinzuziehen kann, welcher mit dem gerichtlich bestellten Gutachter zusammenarbeitet. Es ist dort sogar so, dass jeder Termin mit dem Parteisachverständigen und dem Gutachter des Gerichtes abgestimmt sein muss. So wird jede Partei die Gelegenheit gegeben aktiv an der Erhebung von rechtserheblichen Tatsachen mitarbeiten zu können. Dort gibt es sogar für Parteisachverständige die Möglichkeit einen Abschlussbericht über die fachliche Tätigkeit des gerichtlich bestellten Gutachters und sein Gutachten abzufassen, zu welcher dieser dann Stellung zu nehmen hat. Ich finde dieses System, gegenüber dem österreichischen, durchaus von Vorteil. Es dient meiner Meinung nach auch der Qualitätssicherung von Gutachten und erspart oft lange Gutachtens-Erörterung-Verfahren, da gleich zu Beginn auf die für Parteien wichtigen Umstände eingegangen werden kann.
Frage: Du hast ja auch mehrere Bücher und Fachartikel im Bereich der Rechtspsychologie geschrieben.
Antwort: Ja das stimmt. Als ich vor vielen Jahren mit der Sachverständigentätigkeit in Österreich begonnen habe wurde mir sehr schnell klar, dass es in meinem Fachgebiet kaum Fachliteratur, welche insbesondere die österreichischen Rechtsverhältnisse reflektiert, gegeben hat. Ich habe daraufhin begonnen, auch in Zusammenarbeit mit Fachkollegen, entsprechende Literatur zu verfassen, welche für Österreich relevant ist. Im Jahre 2008 wurde ich diesbezüglich auch zu einer Arbeitsgruppe am Obersten Gerichtshof in Österreich hinzugezogen, welche sich insbesondere mit den Standard bei sogenannten Außerstreitverfahren (Gutachten im Obsorgeverfahren) beschäftigt hat. Im Laufe der Jahre sind entsprechende Publikationen in Fachzeitschriften hinzugekommen. Im Jahre 2019 habe ich, in Ko-Autorschaft, zuletzt ein Buch zur Aussagepsychologie veröffentlicht, da auch hier in Österreich eine entsprechende, aktuelle Fachliteratur wünschenswert war.
Frage: Du hast ja viele akademische Titel.
Antwort: Akademische Titel und Ehren sind mehr eine Alterserscheinung. Ich habe aber immer sehr gerne gelernt und studiert. Wenn man an verschiedenen Universitäten jahrelang tätig ist, wird man nach einer gewissen Zeit als Prof. assoziiert. Zudem kommen oft auch weitere Ehrentitel hinzu, wie auch bei mir. Ich finde das Unterrichten an verschiedenen Universitäten, insbesondere im Ausland, sehr spannend, da man einen oft sehr frischen und unbelasteten Zugang der Studenten zur Universität vorfindet.
Anmerkung: Ehrentitel sind etwa Dr.h.c. oder Prof.h.c.
Frage: Ist die Sachverständigentätigkeit nicht anstrengend und oft belastend.
Antwort: Ja durchaus. Es ist auch zu beobachten, dass die Angriffe gegen Sachverständige immer vehementer, nicht selten auch untergriffig, werden. Dies führt dazu, dass es immer weniger Sachverständige gibt. Die Tätigkeit ist für Sachverständige daher durchaus nicht unbelastet und viele Kollegen stellen nach einer gewissen Zeit ihre Tätigkeit auch wieder ein.
Natürlich bin auch ich selber verschiedenen Angriffen ausgesetzt gewesen. Mitunter werden den Sachverständigen verschiedene Vorhaltungen gemacht und diese zum Teil öffentlich zelebriert, um sie somit erst einmal zu diskreditieren und ihren Ruf zu schädigen, obwohl zum Schluss nichts dabei herauskommt. Damit muss man als Sachverständiger jedoch leben können. Dies ist mir selber ebenso passiert.
Der große Vorteil für mich daraus war, dass meine Arbeiten heute sozusagen nun sogar amtlich überprüft sind. Ich glaube seinerzeit gab es dazu beinahe an die 20 Fachgutachten aus ganz Europa und sogar einer amerikanischen Universität. Jedoch bin ich in dieser Zeit weiterhin als gerichtlicher Sachverständiger bestellt worden. Das hat eigentlich nie richtig aufgehört, da ja in Fachkreisen es klar war, dass die Vorwürfe, insgesamt gesehen, haltlos gewesen waren.
Das Problem heute ist insbesondere bei Diskreditierungskampagnen, dass Darstellungen in Onlineplattformen oder Printmedien nicht dadurch wahrer werden, dass sie sich über Vervielfältigung gegenseitig bestätigen. Ich habe auf meiner Homepage auch darauf hingewiesen.
Manfred Spitzer zeigte in einem seiner neueren Bücher auf, dass insbesondere unsere Emotionen und unser Hunger nach überraschenden Nachrichten sich mit Unwahrheiten viel leichter stillen lässt als etwa mit langweiligen Wahrheiten, dass etwa ein Umstand nicht so gewesen ist wie man ihn vorher öffentlich hat. Es kommt zur gewollten Erosion von Wahrheit, Fake-News und Realität. Ganz nach dem Motto: „only bad news is good news“ ist dies zu einem lukrativen Geschäft geworden, um damit Auflagezahlen zu steigern wie auch unerwünschten Personen wirtschaftliche Schäden zuzufügen oder sie öffentlich zu diskreditieren.
Das renommierte Fachjournal SCIENCE publizierte dazu eine große Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA), welche nachwies, dass sich falsche Informationen und Unwahrheiten online viel schneller und weiterverbreiten als wahre Nachrichten. Insbesondere der Faktor „Mensch“ spielt dabei eine entscheidende Rolle. Algorithmen entscheiden heute vermehrt über die „Wahrheit“ von Inhalten.
Ich nahm die seinerzeitigen Vorwürfe gegen mich aber gleich zum Anlass, um einige Zeit von meiner damaligen Tätigkeit auszuspannen. Die Vorwürfe haben sich ja schlussendlich, wie in Fachkreisen von Anfang an klar war, in Rauch aufgelöst.
Dennoch konnte ich meine Zeit dazu nutzen, um auch internationale Projekte weiter voranzutreiben. So bin ich zwischenzeitlich auch einer der unabhängigen Evaluatoren einer groß angelegten Studie in Kanada im Bereich der Suchtforschung geworden. Dies ist eine sehr spannende Tätigkeit. Zudem bin ich an verschiedenen Universitäten im Ausland tätig, um ein anerkanntes Evaluationsinstrument zur Gefährlichkeitsuntersuchung von Straftätern in anderen Sprachen einsetzen zu können.
Frage: Sicherheit ist ja mittlerweile auch einen international wichtiges Thema geworden.
Antwort: Das stimmt. Unsere Welt wird immer komplexer und von der digitalen Revolution, seinerzeit ausgehend von John von Neumann, gegenwärtig überrollt. Viele Punkte sind in dieser Diskussion noch offen. Ich denke dabei insbesondere an die nächste Generation selbstfahrender Autos, selbst operierender Sicherheitssysteme und Ähnliches. Ich glaube, dass dies in Zukunft, zusammen auch mit den Ansätzen der Psychologie, von herausragender Bedeutung sein wird. Die Universitäten und andere Forschungseinrichtungen beginnen sich erst seit wenigen Jahren damit zu beschäftigen. Es ist dies ein neuer Zweig, welche insbesondere interdisziplinäre Ansätze in der Vorgehensweise erfordert. In Zukunft wird dies auch eines meiner Arbeitsgebiete werden. Meine Ausbildung als Physiker lässt sich damit gut kombinieren.
Frage: Du hast ja verschiedene Studien absolviert. Sind diese ein Vorteil in deiner Tätigkeit.
Antwort: Ich habe nach der technischen Matura an der HTL Physik zu studieren begonnen. Dort habe ich mich auf den speziellen Zweig der Experimentellen Physik spezialisiert. Das Physikstudium ist eigentlich ein sehr interessantes, wenn auch aufwändiges Studium.
Nach einigen Jahren der Tätigkeit als Physiker ist der Wunsch in mir entstanden meine Ausbildung noch einmal zu erweitern. Anfangs, mehr durch Zufall, bin ich dann in die Psychologie geschlittert. In der Psychologie habe ich mich dann aber sehr schnell zurechtgefunden, da mir insbesondere das Physikstudium geholfen hat klar und logisch zu denken.
Die Physik hat mir sozusagen als Denkschule dabei sehr geholfen. Insbesondere das letzte und vielleicht auch das vorletzte Jahrzehnt haben dazu beigetragen, dass interdisziplinäre Ansätze sehr an Bedeutung gewonnen haben. Mir war anfangs überhaupt nicht klar, dass insbesondere meine Kombination aus Physik und Psychologie sehr viele Vorteile auf verschiedenen Forschungsgebieten hat. In dieser Hinsicht bin ich vielleicht sogar eine, aus Sicht der Studienkombination, seltene Verbindung dieser beiden Disziplinen.
Professor Giselher Guttmann (welcher den ersten Brain Scanner der Welt konzipierte), selber ein interdisziplinärer Geist und noch immer im hohen Alter tätig, sagte einmal zu mir, dass es durchaus von Vorteil ist, vor der Psychologie ein ernsthaftes Studium der Naturwissenschaften zu betreiben, um dann in Psychologie etwas weiterzukommen als üblich.